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Terroir F Churfranken

Ganz Franken steht im Zeichen des Silvaners. Ganz Franken? Nein! Denn ganz „oben“ im westlichsten Franken zwischen Odenwald und Spessart versteckt sich mit Churfranken eine ganz besondere Weinregion, in der Spät- und auch Frühburgunder brillieren. Und das mit dem „versteckt“ durfte man die längste Zeit durchaus wörtlich nehmen: auf älteren Karten der Weinregion Franken endet das Blatt tatsächlich bei Aschaffenburg, dass bis hinauf nach Alzenau und auch rund um Miltenberg Wein wächst, wurde unterschlagen. Die Wahrnehmung freilich hat sich in den vergangenen Jahren zugunsten der idyllischen Main-Landschaft verändert, was nicht zuletzt dem 2007 gegründeten Verein Churfranken e.V. zu verdanken ist. Seitdem positioniert sich die nordbayerische Region unter dem Motto „Churfranken – wo der Main am schönsten ist“ zunehmend erfolgreich als touristische Destination in unmittelbarer Nähe der Metropolregion Rhein-Main. Und hat mit zahlreichen Fachwerkstädtchen, Burgen, Schlössern und jeder Menge toller kulinarischer Destinationen auch über den Wein hinaus ganz schön viel zu bieten.

 

„Churfranken – Kommen Sie Leben“

Wenn man mal ein paar Tage durch Churfranken gereist ist, mit den Leuten vor Ort gesprochen hat und den ganz besonderen „Flow“ dieser Region genossen hat, scheint dieser Slogan ziemlich passend! Hier kann man es gut aushalten, es gibt viel zu sehen und zu genießen. In Miltenberg zum Beispiel finden sich gleich mehrere auf höchstem Niveau handwerklich arbeitende Metzger und Bäcker (darunter ein veritabler Brotsommelier!). Man hätte die Region, die auch als „bayerischer Untermain“ bekannt ist, also auch mit Fug und Recht „Genussfranken“ nennen können. Hätte aber womöglich den anderen (zugegeben ebenfalls sehr genussfreudigen) Teilen Frankens nicht gefallen. Und so taufte man die Region „Churfranken“ – eine findige Wortschöpfung, die sowohl auf die geographische Lage als auch die Geschichte der Region anspielt. Vom späten Mittelalter an bis zum sog. Reichdeputationshauptschluss im Jahr 1803 waren große Teile der Region im Besitz von Kurmainz, unterstanden also den Kurfürsten und Erzbischöfen von Mainz. Miltenberg zum Beispiel führt noch heute das „Kurmainzer Rad“ im Wappen. Für den neuen Namen wählte man die traditionelle Schreibweise „Chur“ – nicht zuletzt um Verwechslungen mit „Die 5 Kurfranken“, einem Zusammenschluss oberfränkischer Heilbäder, auszuschließen. Heute gehören dem 400 Mitglieder starken Tourismusverband Churfranken e.V. 25 Gemeinden in Sichtweite der Frankfurter Skyline im Dreiländereck Bayern, Hessen und Baden-Württemberg an.

Sanft geschwungen

In der Gegend rund um Großwallstadt liegen die Weinberge auf leicht ansteigenden Hügeln. Der Blick reicht bei gutem Wetter bis zur Frankfurter Skyline.

Buntsandstein

Eisenhaltige Buntsansteinböden prägen die besten Lagen Churfrankens, wie etwa die steilen Terrassenweinberge zwischen Klingenberg und Erlenbach am Main.

Trockenmauern

Die kunstvoll aus Buntsandstein errichteten Trockenmauern prägen das Landschaftsbild der terrassierten Weinberge. Sie geben nicht nur Halt, sondern dienen auch als Wärmespeicher und sind wichtige Biotope.

Rotweinwanderweg

Der Fränkische Rotweinwanderweg erstreckt sich über 79 Kilometer von  Großwallstadt im Norden bis nach  Bürgstadt im Süden.

Rotwein

Churfranken ist die Heimat bemerkenswerter Rotweine aus den besonders auf den Buntsandsteinböden bestens gedeihenden Sorten Spät- und Frühburgunder.

Fränkische Eiche

Viele der churfränkischen Rotweine werden in Fässern aus regionalem Eichenholz, oft aus dem Spessart, ausgebaut.

Terroir F Churfranken

Perfekter Aussichtplatz zwischen Erlenbach und Klingenberg, um die einzigartige Kulturlandschaft des Mainvierecks zu genießen.

Miltenberg

Fachwerkarchitektur und jede Menge Kunst, Kultur und charmante Einkehrmöglichkeiten prägen die „Perle am Main“ am Rande des Spessarts.

Tief verwurzelt – Rotweine aus Bürgstadt

Ein Hauptinitiator und Gründungsmitglied des Churfranken e.V. war Paul Fürst – und der ist nicht nur engagierter Fürsprecher seiner Region, sondern gilt mit Fug und Recht als einer der besten Rotweinwinzer des Landes (nicht nur Frankens!). Die Spät- und Frühburgunder des Bürgstadter VDP-Betriebs (Mitglied seit 1980) zählen spätestens Anfang der 1990er Jahre zur absoluten Spitzenklasse, Fürsts Große Gewächse aus den Bürgstadter Lagen Centgrafenberg und Hundsrück sind legendär. Paul Fürst und Sohn Sebastian (der seit 2007 mit im Betrieb ist und ihn im Jahr 2018 zusammen mit seiner Frau Isabell übernommen hat) haben erfolgreich den Beweis angetreten, dass Franken eben nicht nur Silvaner, sondern auch Rotwein kann, vor allem hier im westlichen Mainvierreck.

 

Dreamteam Buntsandstein und Spätburgunder

Denn anders als im restlichen Franken gibt es hier ganz andere Bodenstrukturen. Steile Hänge, flachgründige, feine, eisenhaltige Buntsandsteinböden mit Lehm- und Tonauflagen prägen die besten Lagen. Der Main dient ebenso als Wärmespeicher wie die charakteristischen Trockensteinmauern, die das Landschaftsbild mit terrassierten Weinbergen prägen  – das alles zusammen bietet beste Voraussetzungen gerade für die roten Burgundersorten Spätburgunder und Frühburgunder. „Unser Betrieb ist ganz auf die Erzeugung hochwertigster Pinot Noirs ausgelegt: die Reben wurzeln auf steinigen roten Buntsandsteinböden, in unseren Dichtpflanzungen wachsen nur die besten kleinbeerigen Spätburgundertypen und der Ausbau erfolgt ausschließlich im Holzfass. Neben den Spätburgundern pflegen wir auf 1,7 Hektar auch die in Bürgstadt traditionelle autochthone Rebsorte Frühburgunder,“ stellen sich die Beiden auf der Website des VDP vor. Mit ihrem Selbstverständnis und ihrem kompromisslosen, beständigen Streben nach Spitzenqualität hatten und haben die Fürsts durchaus Vorbildcharakter für die ganze Region. Auch in seiner Funktion als langjähriger Vorsitzender des VDP Franken prägte Paul Fürst die Wahrnehmung des fränkischen Weins und begleitete eine bemerkenswerte Qualitätsoffensive. Und die spornte freilich auch nicht im VDP organisierte Winzer im besten Sinne an. Denn dass man hier am „Rand von Franken“ solche Rotweine machen kann, hatte lange keiner auf dem Schirm – auch wenn die Lage Hundsrück schon seit Generationen als eine herausragende Lage gilt. Erstmals erwähnt wurde sie bereits vor 500 Jahren!

„Not a copy of Burgundy but its own style“

Jancis Robinson Ende 2023 über Fürsts Bürgstadter Centgrafenberg GG 2021

Heute kann man Bürgstadt durchaus als Nabel der churfränkischen Rotweinwelt sehen. Erhard und Max Helmstetter erzeugen in ihrem über 120 Jahre alten Familienweingut (zu dem übrigens seit einige Jahre das annehmliche Main-Vinotel gehört) bemerkenswert reiffruchtige, pfeffrig-würzige Rotweine aus den besten Lagen des Orts. Filigran und mit animierender Johannisbeer- und Cranberryfrucht punktet der Frühburgunder von Felix Sturm, der nach seiner Ausbildung im Würzburger Juliusspital 2018 in den elterlichen Betrieb einstieg. Saftig, mit viel Finesse und getragen von einer sehr eleganten, feinen Säure präsentieren sich die spontanvergorenen Weine von Peter und Burkhard Hench, die in ihrem Demeterbetrieb ebenfalls Parzellen der Bürgstadter Toplagen bewirtschaften.

 

Frühburgunder aus dem Centgrafenberg

Ebenso wie Christoph Walter, ein Cousin von Paul Fürst und wie dieser ein großer Frühburgunder-Fan. Sein dichtgewobener „J“ 2019 aus dem Centgrafenberg ist in der Tat ein beeindruckender Wein, der mit leichter reduktiver, flintiger Nase startet und mit einer tiefgründigen, dunklen Beerenfrucht saftig und harmonisch endet. Die Benchmark freilich setzen nach wie vor die Weine von Fürst. Der Hundsrück 2020, dessen überbordender Duft unendliche Freude macht. Tabakblätter, Johannisbeere, Schattenmorelle, vielschichtige Würze, floral hinterlegt – das macht schon jetzt sehr sehr viel Freude, wie wird das erst sein, wenn der Wein ernsthafte Trinkreife erlangt hat! Ein absoluter Tipp, auch für Einsteiger und alle, die mal in der Bürgstadter Terroir hineinschmecken möchten: der Spätburgunder Tradition 2022, der mit offener Himbeer- und Süßkirschfrucht und einer in diesem Segment konkurrenzlosen Länge mehr als überzeugt. Hervorragendes Preis-Genuss-Verhältnis!

„Wenn jeder schon den besten Wein macht, dann tut sich nichts in der Region“

Klaus Giegerich, Weingut Giegerich in Großwallstadt

Die Quadratur des Main-Vierecks

Aber nicht nur in Bürgstadt tut sich etwas. Im ganzen Mainviereck machen immer mehr Winzer Weine mit Anspruch und auch Experimentierfreude – und spornen sich offenbar gegenseitig an. „Wenn jeder schon den besten Wein macht, dann tut sich nichts in der Region,“ bringt zum Beispiel Klaus Giegerich aus Großwallstadt es auf den Punkt. Seine Söhne (die u.a. bei Fürst, Luckert und Keller gelernt haben) haben den biozertifizierten Betrieb vor kurzem übernommen. Sie setzen auf Spontangärung und Low Intervention, legen auch mal einen Wein ins Betonei, einen anderen ins Granitfass. Mit ihren Weinen sorgten sie aus dem Stand für Furore. „Nichts weniger als eine Sensation ist die Kollektion von Philipp und Kilian Giegerich,“ etwa schreiben die Verkoster des VINUM Weinguides 2024 begeistert.

 

Next Generation: junges Churfranken

Überhaupt: die junge Generation ist fest verwurzelt in Churfranken, in vielen Weingütern und Gastronomiebetrieben startet gerade die nächste Generation durch. Was sie vereint? Sie alle sind top ausgebildet, bringen Auslandserfahrung und die Bereitschaft, auch mal „out of the Box“ zu denken und über den (fränkischen) Tellerrand zu schauen. So wie zum Beispiel Verena Waigand aus Erlenbach, ausgebildete Küferin, Weinbetriebswirtin, Gästeführerin und großem Engagement in den steilen Terrassenlagen unweit von Klingenberg unterwegs. Oder Anja Stritzinger, deren konsequent und ohne Kompromisse ökologisch erzeugten Weine weit über Franken hinaus auffallen. Und die mit ihrem roten (!) Alten Satz eine Ahnung davon gibt, wie Frankwein früher einmal gewesen sein könnte: Über 20 verschiedene uralte rote Rebsorten gedeihen einträchtig nebeneinander in dieser ganz besonderen Parzelle des Klingenberg Schlossbergs, nicht an Drahtrahmen erzogen, sondern (auch das ganz traditionell) an Holzpflöcken. Der Ausbau, auch hier liegt der Fokus auf der Regionalität, erfolgt in Klingenberger Eiche. Bei anderen Weinen arbeitet die Winzerin auch schon mal mit Kastanienholz, das sie aus der Südpfalz bezieht. Die Aromatik unterscheidet sich deutlich von Eiche, ist duftiger, hat aber auch eine ganz eigene Würze, wie Anja Stritzingers Spätburgunder 2019 (ebenfalls aus dem Schloßberg) zeigt. Spannend auch die Weine von Gabriel Restel, dessen Eltern die großartige Krone in Großheubach führen der mit gerade einmal 25 Jahren neben seiner Arbeit im Weingut Kremer eine eigene Steillage bewirtschaftet. Seine beiden Erstlingsweine mit dem Label „Hakuna Matata“ sind sehr vielversprechend, es lohnt sich, ihn im Auge zu behalten! Übrigens ebenso wie seinen Chef Uli Kremer, der nicht nur mit seinem Pet Nat „Pet Boom Bang“ punkten kann. Auch seine Rotweine sollte man auf dem Schirm haben – oder am besten im hauseigenen Gutsausschank verkosten.

Von Handkäse bis Haute Cuisine – Genuss in Churfranken

Viele Weingüter betreiben sog. Häckerwirtschaften – die oft ganzjährig als ganz normale Gastrobetriebe geöffnet sind und nicht nur wenige Woche im Jahre, wie man es andernorts von den Buschenschanken kennt. Auch Gästezimmer, Ferienwohnungen oder ganze Hotels mit Wellness und Spitzengastronomie gehören zum Portfolio. Aber nicht nur Bodenständiges kommt hier am Main auf den Tisch: auch anspruchsvolle Kreationen gehören mit dazu. Gastfreundschaft wird groß geschrieben in Churfranken – und man weiß hier den Wert guter und regionaler Produkte sehr zu schätzen.

Brotkultur

Was passt besser zu einem Glas Wein als ein frisches handwerkliches Brot? Ganz typisch entweder duftendes resches Sauerteigbrot oder der unverwechselbare „Weinplotz“, ein fränkischer Cousin des Knäckebrots!

Kochkäs

Churfranken grenzt an Hessen. Kein Wunder also, dass so manche Spezialität sich von dort „eringeschlichen“. So etwa der Kochkäse, eine aus Handkäse hergestellte Zubereitung.

Churfränkisches Fine Dining

gibt es unter anderem im Bürgstadter Landhotel Adler, wo es sich in herzlich-familiärer Atmosphäre gut aushalten lässt. Gerne auch länger, denn es lockt auch ein Naturschwimmbad im liebevoll bepflanzten Hof.

Weingenuss am Wegesrand

Land auf, Land ab locken Vinotheken und Häckerwirtschaften zur Einkehr.

Vielen Dank an Churfranken e.V. und die zwei besten Churfranken-Guides Brigitte Duffeck und Linda Trabold, dass wir die Region Churfranken und ihre herzliche Gastfreundschaft im Rahmen einer Pressereise im Juni 2024 entdecken durften.