Von der Freiheit, den richtigen Wein zu machen. Biodynamisches Winzerhandwerk im Porträt.
Biodynamiker – das sind nicht die, die „Orangeweine mit Spinnenbeinen“ vergären, sagt Romana Echensperger. Und, so meinen wir, es sind auch nicht nur die, die mit dem Pferd im Weinberg unterwegs sind und bei Mondschein Präparate rühren. Aber was zeichnet einen biodynamisch wirtschaftenden Winzer aus, was unterscheidet ihn von „nur“ ökologisch arbeitenden? Was treibt ihn an, wie tickt er so? Um das herauszufinden und auch um selbst zu verstehen, was genau Biodynamie und Weinbau zusammenbringt, nahm die bekannte Sommelière und Master of Wine für ihr Buch das biodynamische Winzerhandwerk in all seiner Vielfalt unter die Lupe.
Von der Freiheit, den richtigen Wein zu machen. Biodynamisches Winzerhandwerk im Porträt.
Romana Echensperger MW
Westend Verlag Frankfurt, 2020
Preis 32,00 € (D)
Jetzt bei amazon bestellen (Partner-Link / Anzeige)
Wir sind Amazon-Partner und erhalten für qualifizierte Käufe über diesen Link eine Vergütung.
Herausgekommen ist eine überaus fundiertes Werk, das zwölf Winzer aus Deutschland und Österreich vorstellt und deren jeweiligen Weg zur Biodynamie zeichnet. Darüberhinaus erklärt die Autorin, die zu den wenigen deutschen Master of Wine zählt und als Sommelière lange Jahre in besternten Häusern tätig war, was es überhaupt auf sich hat mit dem biodynamischen Landbau. Sehr fundiert, kenntnisreich und vor allem sehr verständlich beleuchtet sie die historischen Hintergründe, die Rudolf Steiners landwirtschaftlichen Vorträgen im Jahr 1924 voraus gegangen waren und erzählt, warum der Fortschrittsoptimismus des 20. Jahrhunderts bis heute ungute Auswirkungen auf unsere Landwirtschaft hat.
Alles eine Frage des Bodens.
Entscheidend ist dabei ein Blick auf oder besser gesagt in den Boden. Denn genau hier, im Bemühen die Bodenzusammensetzung und seine Mikrobiologie zu verstehen und so zu erkennen, was genau der eigene Boden benötigt, liegt eines der Hauptaugenmerke biodynamischer Landwirtschaft. Im harten Kontrast dazu steht freilich die konventionelle Landwirtschaft, die getrieben von Positivismus und motiviert von der Industrie, versucht, Böden jedweder Art über einen Kamm zu scheren und Natur mit Kunstdüngern zu „verbessern“. Es geht also, vereinfacht gesagt, darum, die eigenen Sinne zu schärfen, eigene Erfahrungen zu machen und so zu lernen, den eigenen Boden zu bewerten. Von genau dieser Freiheit erzählt Romana in ihren Winzerporträts – von der Freiheit, selbst zu entscheiden, von der Freiheit, selbstverantwortlich zu sein.
Freiheit ja, Richtlinien aber auch!
Natürlich geht es auch im biodynamischen Weinbau nicht ohne Grundlagen und Richtlinien. Im Buch lernen wir den Berater für biologisch-dynamischen Weinbau, Dr. Georg Meissner, kennen, lesen über Demeter Deutschland e.V. und erfahren, wie es dazu kam, dass es seit dem Jahr 2002 in der Hochschule Geisenheim eine Professur für ökologischen Weinbau gibt – übrigens die einzige weltweit!
Romana Echensperger, Sommelière und Master of Wine, geht in diesem Buch den Hintergründen des biodynamischen Weinbaus auf den Grund.
12 Freunde sollt ihr sein
Ein Jahr lang hat Romana Echensperger die vorgestellten Winzer begleitet. Sie war mit ihnen im Weinberg unterwegs, hat sie im Keller beobachtet, hat mit ihnen Wein verkostet, gegessen und gelacht. Und ist ihnen dabei sehr nahe gekommen. Ihre Porträts erzählen viel über die Menschen in den Weingütern und wir sehen, wieviele unterschiedliche Motivationen es geben kann, sich vom konventionellen Weinbau hin zur Biodynamie zu entwickeln. Manche sind überzeugte Anthroposophen, andere bezeichnen sich als reine Praktiker, so wie etwa Matthieu Boesch aus dem Elsass. „Steiner habe ich nicht selbst gelesen. Ich bin eher der Praktiker. Ich habe mein Wissen über die Biodynamie vor allem im intensiven Austasuch mit den Kollegen erworben„.
Der Weg hin zur Biodynamie ist oft schwer…
Eines aber haben all diese Biografien gemein: der Weg zur Biodynamie, auch das wird klar, ist nie einfach. Ob Anfeindungen aus dem Umfeld oder spöttische Fragen, wie sie Bernhard Ott zu hören bekam („Mein Steuerberater hat mich gefragt, ob ich deppert bin.“) sind da ebenso an der Tagesordnung wie Misserfolge in Weinberg und Keller. Oder wir Olivier Humbrecht (Domaine Zind-Humbrecht) es auf den Punkt bringt: „Das Wichtigste ist, dass du erst einmal ein guter Biowinzer wirst. Das ist der komplizierte Teil.“
… aber am Ende oft eine Offenbarung!
Kein Zweifel, alle der vorgestellten Winzer haben etwas ganz Besonders für sich in der Biodynamie gefunden – die Beweggründe wie gesagt waren sehr unterschiedlich, daher gehen auch die Ergebnisse auseinander. Aber eines verbindet sie alle: die Ansprüche und auch die Erkenntnisgewinne der Biodynamie gehen weit über die des ökologischen Landbaus hinaus. Ober wie es Eva Raps vom Rheingauer Weingut Kaufmann kürzlich im Rahmen einer Vinissima-Veranstaltung auf den Punkt brachte: „Biodynamie erweitert den Bioanbau um das Geistige.“ Das mag esoterisch klingen, ist es aber eigentlich nicht – es geht einfach um die Freiheit, sich holistisch mit dem Thema Wein und Weinbau auseinanderzusetzen. Den Weinen bekommt das übrigens sehr gut: ohne Firlefanz, „minimalinvasiv“ und mit Gespür für den Boden und das Terroir gemacht, sind sie die beste Werbung für die Freiheiten des biodynamischen Weinbaus!
Unser Fazit:
- wir konnten das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen! Es ist toll geschrieben und es macht große Freude, in die Welt der biodynamischen Winzer einzutauchen – vor allem, weil die oft intimen und detaillierten Winzerporträts so schön zeigen, wie unterschiedlich Winzer ticken, wie verschieden sie das Weinmachen angehen.
- das Buch hat ganz klar das Zeug zum Standardwerk! Denn es gibt bislang wenig deutschsprachige Literatur zu diesem Thema, vorallem keine, die sich nicht nur an Profis, sondern auch an interessierte Wein“laien“ wendet.
Hinweis: Dieser Artikel enthält Affiliate-Links zu unserem Kooperationspartner amazon.de.