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Georgischer Wein

Vor kurzem waren wir in Georgien. Eine Woche lang konnten wir in den Anbaugebieten Kachetien und Imeretien ein bisschen hinter die Kulissen schauen, beeindruckende Weine probieren und die sympathischen Macher dieser Weine kennenlernen. „Madloba“ für eine überwältigende Gastfreundschaft und die vielen Eindrücke – das war sicher nicht unsere letzte Reise in dieses wunderbare Land!

 

Die kachetische Hochebene von Sighnaghi aus gesehen, im Hintergrund der Kaukasus

Ein Kvevri-Wein des kachetischen Top-Winzers Zaza Jakeli

Neue Kvevri warten auf ihren Einsatz (hier bei Chateau Mukhrani)

Erfolgreiche Schwestern: Baia und Gvantsa Abuladze, deren Weingut unweit von Kutaisi zu den Topadressen Imeretiens zählt.

George Bakuradze von Vine Ponto - Spirit of Georgia. Bei ihm trifft Kvevri auf französische Eiche.

Auch Kisi ist eine der autochtonen Rebsorten Georgiens. Hier von Chateau Mere, das neben dem Weingut auch mit einem gemütlichen Hotel aufwartet.

Ohne Eingelegtes und Wildkräuter ist eine georgische Supra nicht vollständig

Auch Chatschapuri (ein mit Käse gefüllter Fladen) darf nie fehlen

Georgien – ein Land mit 8.000 Weinjahrgängen

Sie hören auf so unvertraute Namen wie Saperavi, Kisi, Mtsvane oder Rkatsiteli und sie haben eine sehr lange Ahnenreihe. Die Rede ist von autochthonen georgischen Rebsorten, die hier im uralten kaukasischen Weinland bis heute den Ton angeben. Gut, in einigen großen Weingütern (bevorzugt in denen, wo große Investoren das Sagen haben), findet man auch sog. internationale Rebsorten wie den omnipräsenten Chardonnay oder Cabernet, vereinzelt auch Sauvignon. Sonst aber ist man hier, im nachweislich ältesten Weinland der Erde sehr stolz auf die alte Sortenvielfalt. Mehr als 400 Sorten gibt es, wobei natürlich längst nicht alle kommerziell genutzt werden. Aber immerhin gut 40 dienen der Herstellung von Wein – und Chacha (dem einer guten Grappa sehr ähnlichen und im ganzen Land sehr beliebten Tresterbrand). Ausgebaut werden die Weine so gut wie ausnahmslos nach traditioneller Art und Weise in Tonamphoren, den sog. Kvevri – und das bereits seit sagenhaften 8000 Jahren, wie archäologische Befunde vor einigen Jahren beweisen konnten! Kein Zufall also, dass Georgien sich auf dem touristischen Parkett aktuell als „Land der 8000 Jahrgänge“ positioniert.

… ein Land im Aufbruch

Sicher, es gibt in Georgien große Weingüter, wie etwa GWS Georgia Wine & Spirit – ein Betrieb mit einem Jahresausstoß von gut 4 Mio. Flaschen und (einem der ersten großen internationalen Investments der Nachsowjetzeit) bereits seit 1993 im Mehrheitsbesitz der Pernod Ricard Gruppe. Auch versuchen immer mehr Unternehmer und Investoren auf dem georgischen Weinmarkt Fuß zu fassen und gründen ambitionierte Kellereien – so wie etwa der deutsche Unternehmer Burkhard Schuchmann, der 2008 in Kisiskhevi die Schuchmann Winery gründete und die er im Laufe der letzten Jahre um ein vielbeachtetes Restaurant und ein luxuriöses Hotel mit einem sog. Wine Spa (ja, angeblich kann man dort wirklich in Wein baden – wir haben es nicht ausprobiert…) erweiterte. Eine gute Idee, denn immer mehr Reisende sind auf der kachetischen Weinstraße unterwegs. Denn auch wenn georgischer Wein zumindest in Deutschland bislang noch immer einen Exotenstatus hat: Georgien und die georgischen Weinanbaugebiete mausern sich gerade zu einem Reiseziel mit Potenzial.

Und nicht nur Landschaft und Winzer sind hier die Attraktionen: auch immer mehr sensationelle Bauprojekte locken Wein- und Kulturreisende gleichermaßen an. Die Investitionen gehen dabei in die Vollen: in das Ende 2018 eröffnete Radisson Fünfstern-Hotel in Tsinandali wurden an die 35  Millionen Dollar gesteckt, auch das neue Marriot Hotel inm Kurort Abastumani, dessen Eröffnung für 2020 geplant ist, hat ein Projektvolumen von über 30 Mio. Dollar. Landauf landab entstehen aktuell sehr spannende architektonische Eycatcher, viele Zweckbauten sind mit dabei, aber auch ein so ansprechender, naturnaher Entwurf wie der organisch in den Weinberg eingebettete Neubau der Shilda Winery, ein Projekt des britisch-georgischen Architekturbüros X-Architecture. Aber nicht nur die ganz großen Investitionen verändern gerade das Land: ein Weingut, wie das 2014 von dem jungen Banker George Bakuradze in Telavi gegründete Vine Ponto – The Spirit of Georgia etwa schlägt mit hohem Qualitätsbewusstsein und einer Kombination von Tradition und Internationalität (Kvevri & Barrique) eine Brücke zwischen dem alten und dem neuen Weinland Georgien. Im Keller stehen feinste französische Barriquefässer, in nächsten Raum sehen wir 41 Kvevri in den Boden eingelassen. Die hier jährlich erzeugten ca. 40.000 Flaschen gehen vorallem in den Export, bereits jetzt sind USA und Asien wichtige Exportmärkte für Vine Ponto. Anders aber sieht es freilich aus, wenn ein Weingut gerade mal 3.000 Flaschen im Jahr herstellt…

Reisen in Georgien: In der Lobby des Radisson Hotels Tsinandali ©wein-abc 2019

Kork gibt hier den Ton an: die Lobby des Radisson Hotels in Tsinandali (Kachetien).

Reisen in Georgien: Chateau Mere in Kachetien ©wein-abc 2019

Hotel, Restaurant und Weingut: das charmante Chateau Mere an der kachetischen Weinstraße.

Georgischer Wein: Vine Ponto ©wein-abc 2019

Mit 41 Amphoren zum Erfolg: die Marani im Weingut Vine Ponto in Telavi.

… ein Land der kleinen Weingüter.

Soviel produziert in etwa eines der vielen Familienweingüter, die es in allen georgischen Anbaugebieten gibt. Die meisten Weingüter des Landes sind im internationalen Vergleich geradezu winzig, viele Erzeuger sind bis heute Nebenerwerbswinzer. Dies hat nicht zuletzt historische Gründe: als Georgien noch eine Sowjetunion war, wurde hier Wein im ganz großen Stil erzeugt, in fabrikähnlichen Strukturen und primär für den sowjetischen Markt. Diese Weine, so hören wie immer wieder, waren vor allem süß und hatten wenig Charakter: mehr Masse als Klasse war wohl das Motto.

Private Weingüter hingegen waren verboten. Dies allerdings hinderte die Bevölkerung des auch heute noch sehr ruralen Landes nicht daran, in ihrem Gärten Reben anzubauen und daraus dann für den Privatgebrauch Wein zu keltern, ganz so wie man es hier seit vielen Generationen gemacht hatte, nämlich in den Kvevris. So blieb viel Wissen um diese traditionelle Ausbauweise erhalten und – auch das im nachhinein betrachtet ein unschätzbarer Vorteil! – die Weingärten wurde mangels moderner Hilfsmittel gewissermaßen ökologisch bewirtschaftet.

Diese zwei Faktoren sind mit ausschlaggebend dafür, dass der georgische Wein, so wie wir ihn heute in den kleinen Familienbetrieben probieren können, sehr authentisch. ‚miminal-invasiv‘ und geradlinig ist. Er ist Naturwein im besten Sinne – und durch die charakteristische Bereitung im Kvevri der Ahn aller Amber- und Orangeweine weltweit. Einige der ökologisch und biodynamisch wirtschaftenden kleinen Weingüter haben sich zur georgischen Natural Wine Association zusammengeschlossen. Auch Zaza Jakelis Weingut  ist hier mit dabei.  Die Präsentation der georgischen Biowinzer, „Zero Compromise“ (an der übrigens auch Naturweinwinzer aus anderen Ländern teilnahmen) fand im Mai in Tifllis statt und zeigte mit großem Erfolg, dass traditionell bereiteter georgischer Wein weitaus mehr als nur ein Nischenprodukt sein kann.

Georgischer Winzer: Zaza Jakeli ©wein-abc 2019

Zaza Jakeli von Jakeli Wines in Telavi (Kachetien)

Georgischer Wein frisch aus dem Kvevri gezapft ©wein-abc 2019

Mit einer Kalebasse schöpft der Winzer Onise Kbilashvili (Kutaissi) Wein aus dem Kvevri

Georgischer Winzer: Gia Togonidze ©wein-abc 2019

Wie Jakeli zählt auch Gia Togoidze (der von Togowine zur kachetischen Topliga – und ist zudem angesehener Künstler.

Ein Blick in den Kvevri-Keller

Was aber genau hat es mit diesen Kvevri auf sich? Und warum wird der Wein darin so ganz anders als wir ihn in Mitteleuropa gewohnt sind? Die großen Tongefäße – die größten fassen mehrere 1000 Liter, meist aber haben sie ein Volumen von 1000 bis 1500 Liter  – sind in den Boden der sog. Marani (ein ebenerdiger Wein’keller‘) eingelassen. So bleiben sie kühl und durch den unmittelbaren Kontakt mit dem Erdreich auch feucht. Das Lesegut wird mit Stumpf und Stiel in die Behälter gegeben und dort bleibt es dann auch für mehrere Monate, bei manchen Weinen und manchen Winzer sogar mehrere Jahre.

So einfach? Im Grund schon. Die Gärung erfolgt spontan und sie ist, sowohl bei roten als auch bei weißen Trauben, immer eine Maischegärung. Anfangs wird der Tresterhut mit langen Holzstöcken untergerührt, aber sobald die Gärung zum Stillstand kommt, wird die Amphore bedeckt (manchmal auch mit Lehm versiegelt) und dann heißt es Geduld haben.

Wer jetzt sagt, dass kann ja nichts werden, das oxidiert doch, das wird so eine orange Brühe mit allerlei Fehltönen – dem können wir versichern: was da in der Amphore entsteht ist frisch, aromatisch und hat einen ganz eigenen Schmelz. Die Weine sind tanningeprägt, präzise und geradelinig. Dass hier nichts über die Massen oxidiert, liegt zum einen an den autochthonen Rebsorten, zum anderen an der spezifischen Form und Zusammensetzung der Amphore, in der der Most auf ganz eigene Weise zirkuliert und der Wein sich so nach einiger Zeit (auch dank des enthaltenen Tannins) von selbst stabilisiert. Und das hat noch einen anderen Vorteil: Kvevri Wein sind nur minimal bis gar nicht geschwefelt. Und noch ein Pluspunkt: sie haben ein beeindruckendes Alterungspotenzial.

Interessant ist, dass in einigen Weingütern vom Inhalt der Kvevris nur das obere mittlere Drittel in Flaschen gefüllt wird. Manche Winzer füllen sogar nur das obere Drittel in Flaschen und verkaufen die mittlere Schicht als offenen Wein auf dem lokalen Markt. Das untere Drittel wird zu Chacha gebrannt.

„Eine georgische Mahlzeit hat keineswegs den Zweck der Ernährung und Sättigung, denn sie besteht hauptsächlich aus frischen Kräutern und Wurzeln. Die botanischen Namen dieser Kräuter und Wurzeln sind mir nicht bekannt: sie werden als Salat ohne Essig und Öl aufgetischt, und ich bemerkte darunter verschiedene Arten von Zwiebeln, Dragun, Pimpernelle und Rettige.

Über die Flüssigkeiten, die dabei vertilgt werden, kann ich besser Auskunft geben. Die mäßigen Zecher trinken fünf bis sechs Flaschen Wein, die gewaltigen »Schläuche« zwölf bis fünfzehn. In Georgien ist es eine Ehre, seinen Nachbar im Trinken zu überbieten. Zum Glück ist der dortige äußerst angenehme Wein nicht stark, d. i. er steigt nicht zu Kopfe.“

Alexandre Dumas – Reise im Kaukasus (1859)

Eine Marani ist übrigens weitaus mehr als nur ein Weinkeller. Hier werden auch Freunde bewirtet, hier wird gefeiert, gesungen, hier finden supras (georgische Festmahle) statt und so mancher Tamada (eine Art Zeremonienmeister, der mit seinen Trinksprüchen durch den Abend führt) hat hier seinen großen Auftritt. Die georgische Gastfreundschaft ist so legendär wie überwältigend – und so mancher, der zunächst vielleicht angesichts der puren Fülle der Tafel ein wenig eingeschüchtert war, wird sich spätestens dann, wenn der Tamada auf das Leben, die Freunde und die Liebe trinkt, heillos in dieses Land und seine herzlichen Bewohner verlieben. Vom Wein ganz zu schweigen…

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