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Salento – hier tut sich was!

Aufgeben ist keine Lösung! Wie sich das Salento inmitten des Olivensterbens neu erfindet.

Apulien! Wer denkt hier nicht an lange Sandstrände, Trulli, köstliches Essen oder auch das beeindruckende Castel del Monte. Dass hier am Absatz des italienischen Stiefels aber längst nicht alles eitel Sonnenschein ist, übersehen viele. Das existenzbedrohende, durch Xylella fastidiosa verusachte Olivensterben im Salento findet außerhalb der touristischen Zentren statt – dennoch hat es gewaltigen Einfluss auf Leben, Wirtschaft und damit die Zukunft der Region. Aufgeben sieht hier niemand als Lösung an und so entstehen hier so spannende Ansätze wie die Radici Virtuose, um der uralten Kulturlandschaft des Salento neue Perspektiven zu geben.

Schicksalsjahr 2013

Seit 2013 ist nichts mehr wie zuvor hier im Salento, der im äußersten Südosten des italienischen Stiefels gelegenen, zu Apulien gehörenden Region. Damals entdeckte man in der Nähe von Gallipolli in einigen der uralten Olivenbäume erste braune Blätter und vertrocknete Äste. Die Bäume prägen seit Jahrhunderten die Region, geben der Landschaft des italienischen Stiefelabsatzes mit ihren silbrig-grünen Blättern ihr charakteristisches Aussehen und sind die Existenzgrundlage des Landstrichs. Prägten, muss es heute eher heißen. Denn was sich mit einigen dürren Ästen ankündigte, sollte sich über weniger als zehn Jahre zu einer beispiellosen landwirtschaftlichen Katastrophe auswachsen! Was war passiert? Das Bakterium Xylella fastidiosa hatte die Olivenbäume befallen, übertragen (wie die Forschung im Laufe der Zeit herausfand) durch die hier heimische Wiesenschaumzikade. Vereinfacht gesagt, blockiert das Bakterium die Leitungsbahnen der befallenen Pflanzen, diese werden so nicht mehr mit Wasser und Nährstoffen versorgt und sterben ab.

Vom blühenden Olivenhain zur düsteren Mondlandschaft

Waren es zu Beginn nur einzelne betroffene Bäume, sind es heute Millionen. Auf vielen Quadratkilometern stehen graue Baumskelette, die Landschaft hat hier etwas Apokalyptisches und erschüttert zutiefst. Wenn gleich bereits kurz nach dem ersten Auftreten gefordert wurde, die befallenen Bäume zu roden und Quarantänezonen einzurichten – passiert ist viel zu lange viel zu wenig. Das mag auch daran liegen, dass viel zu viel über den Ursprung der Bakterien spekuliert wurde, viele Verschwörungstheorien kamen auf und sind bis heute im Umlauf. Viele hoffen bis heute, den Befall selbst kurieren zu können, sie schneiden die Bäume radikal zurück und verbrennen die toten Äste. Andere wiederum sind der Meinung, dass die Gegend schon so viel mitgemacht habe, so ein kleines Bakterium geht auch irgendwann vorbei. Wo das Bakterium wirklich herkam, ist immer noch nicht hundertprozentig sicher, man vermutet importierte Oleander- oder Kaffeepflanzen als Wirte und Überträger. Eines aber steht fest: in Apulien trat Xylella (die auf dem amerikanischen Kontinent durchaus verbreitet ist und dort v.a. auch Weinreben schädigt) erstmals in Europa auf. Inzwischen aber gibt es Sichtungen im gesamten Mittelmeerraum und in Teilen Mittel- und Nordeuropas – sogar hierzulande (2016 der erste Nachweis in einer sächsischen Baumschule) ist Xylella bereits aufgefallen.

Xylella pauca – nur Appetit auf Olivenbäume

Bleibt die schlechte Nachricht: größte Teile der Salento-Halbinsel sind mit Oliven-Monokulturen bepflanzt und das heißt, dass über kurz oder lang die meisten Olivenbäume hier absterben werden. Denn auch wenn die Forscherteams mit Hochdruck an einer Lösung des Problems arbeiten: bis heute gibt es eine Kur, kein Mittel gegen das aggressive Bakterium. Man arbeitet aber an Methoden, das Bakterium schneller aufzuspüren: u.a. gibt es eine Hundestaffel, deren trainierte Suchhunde das Bakterium wittern, noch bevor die Bäume Symptome zeigen. Dennoch, die Infektion weitet sich aus; seit November 2022 gilt auch das Valle d’Itria als „zona infetta“. Immerhin gibt es ein paar gute Nachrichten – die in Apulien auftretende Bakterienart geht nur an Olivenbäume. Zitrusfrüchte, Weinreben und andere Pflanzen sind nicht durch sie gefährdet. Und auch nicht alle Olivensorten sind betroffen: einige sind resistent gegenüber Xylella. Auf sie setzen einige Landwirte und arbeiten an der Wiederaufforstung (bereits gute 30.000 neue Bäumchen wurden gepflanzt). Dennoch darf man nicht vergessen: viele der bestehenden Haine sind viele Jahrhunderte alt. Bis die Neupflanzungen jetzt Ertrag bringen und die Gegen erneut mit Leben füllen können, wird wertvolle Zeit ins Land gehen.

Olivenhain im Salento

Olivenhain im Salento

Was passiert in der Region bis dahin? Man setzt auf Biodiversität und bereitet die Region auf die Zeit nach Xylella vor. Verschiedene Aktionspläne für die Wiederaufforstung und Neuausrichtung der Region wurden erstellt, federführend hier ist Distretto Agroalimentare di qualità Jonico Salentinoein Netzwerk der wichtigsten Interessensvertreter der Agrar- und Lebensmittelbranche, Verbänden, Universitäten und Forschungszentren in den Provinzen Lecce, Brindisi und Taranto. In diesen Tagen wurde ein wichtiger Meilenstein erreicht: Im November 2022 wurden 78 Xylella-resistente Pflanzen ganz offiziell für den Anbau in den betroffenen Regionen freigegeben, darunter Zitrus-, Pfirsich-, Aprikosen-, Pflaumen- und Mandelbäume. Auch die Radici Virtuose sind in diesem Netzwerk verankert.

 

Radici Virtuose – das Salento erfindet sich neu

Denn auch dem durch das italienische Landwirtschaftsministerium geförderte und mit einer Fördersumme von mehr als 50 Mio. Euro unterstütze Programm Radici Virtuose (dt. meisterhafte Wurzeln) arbeitet man mit Nachdruck und viel Herzblut an der Neufindung der Region. Denn auch wenn das Olivenöl bislang das vorherrschende landwirtschaftliche Produkt war: man darf die Bedeutung des apulischen Weinbaus nicht vergessen! Es geht kurz gesagt darum, die Herkunft der hiesigen Produkte zu betonen und sie besser bekannt zu machen. Im Zentrum stehen die Herkunftsbezeichnungen Olio di Puglia g.g.A. sowie die drei Wein-Appellationen Primitivo di Manduria DOC / DOCG., Salice Salentino DOP und Brindisi DOC.

 

Die drei Wein-Konsortien tragen viel bei zur Neuausrichtung der Region. Zum einen stehen sie für die Einzigartigkeit und Authentizität der einzelnen apulischen Appellationen und arbeiten daran, den Ruf der süditalienischen Weine in aller Welt zu stärken. Zum anderen spielen sie innerhalb der Region wichtige Rollen, wenn es darum geht, die Zukunft des apulischen Weins in einem „neuen“ Salento zu definieren. Was genau die Konsortien planen, wie sich die junge Winzergeneration hier engagiert und warum das Salento immer noch das Land der Genossenschaftskellereien ist, berichten wir euch in unseren nächsten Beiträgen.

 

Etikett Salice Salentino

 

Consorzio di Tutela Vini D.O.P. Salice Salentino

  • In den Regionen Lecce und Brindisi
  • D.O.C. Salice Salentino seit den 1970er Jahren
  • Konsortium gegründet im Jahr 2003, deckt heute 80% der Region ab
  • die wichtigsten Trauben: Negroamaro und Malvasia Nera

 

Consorzio di Tutela del Primitivo di Manduria DOC e DOCG

  • Consorzio gegründet 1998, umfasst heute 65 Weinbau- und Abfüllbetriebe
  • 85% Primitivo, max. 15% andere in der Region zugelassene Rebsorten
  • Mindestalkoholgehalt von 14% Vol.
  • O.C Primitivo di Manduria / D.O.C. Primitivo di Manduria Riserva und D.O.C.G. Primitivo di Manduria Dolce Naturale seit 2015
  • Ab dem 1. Januar 2023 müssen alle als D.O.C bzw. D.O.C Riserva vermarkteten Flaschen Primitivo die Manduria ein Echtheitssiegel tragen
  • Funfact – Primitivo ist identisch mit Zinfandel

 

Etikett eines Primitivo di Manduria
Etikett Brindisi Rosso

Consorzio Tutela Vini D.O.C. Brindisi D.O.C. Squinzano

  • D.O.C seit 1976
  • Gilt für Rotweine, Weiß- und Roséweine, auch Spumante
  • Rebsorten: Malvasia Bianca di Candia, Negroamaro, Malvasia Nera die Brindisi, Susumaniello; Ottavianello, Primitivo
  • Funfact – lange Zeit wurden die extrem farbstarken Weine aus Brindisi in Frankreich und auch in vielen Regionen Italiens als „Färberwein“ verwendet.
  • fare un brindisi“ – einen Toast ausbringen, mit einem Wein anstoßen – die italienische Bezeichnung hat aber weder mit dem Wein Brindisi Rosso noch mit der apulischen Hafenstadt Brindisi etwas zu tun. Der Ausdruck soll vielmehr eine bis ins Mittelatler zurückgehende Verballhornung des deutschen Spruchs „(ich) bring’s Dir“ sein…

KOOPERATION / Disclaimer – Wir bedanken uns herzlich bei Gambero Rosso und Radici Virtuose, die uns im Rahmen einer Pressereise im Oktober 2022 die Region und ihre Protagonisten vorstellten.

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