Vinho Verde – der große (Un)Bekannte
Zugegeben, über portugiesischen Wein ist in den letzten Jahren viel gesprochen worden. Kraftvolle Rotweine aus dem Alentejo und Douro wiesen mit ihrem oft unschlagbaren Preis-Leistungsverhältnis viele spanische und italienische Produkte in die Schranken. Und auch Portwein wird, nicht zuletzt über den erfrischenden Umweg Port & Tonic, langsam aber sicher wieder eine feste Größe. Was aber ist mit Vinho Verde, dem „grünen Wein“ aus Portugals äußersten Nordwesten? Immerhin trägt heute fast jede 3. aus Portugal in die Welt exportierte Flasche Wein das Vinho Verde-Qualitätssiegel …
Spritziges Sommervergnügen.
Für viele ist und bleibt Vinho Verde der Inbegriff eines unbeschwerten Sommerweinvergnügens. Leicht, duftig und dank mehr oder weniger viel Restkohlensäure erfrischend und spritzig – so kennen wir ihn, so steht er in den Regalen der großen Handelsketten und des Fachhandels. Und so wurde er auch lange Zeit vermarket. Ein Partywein, eine Gute-Laune-Garant, ein Wein, den manche leicht herablassend als Swimming Pool-Wein bezeichnen. Dennoch, Vinho Verde ist vielmehr. Schauen wir uns die Sache doch einmal genauer an. Das Anbaugebiet Vinho Verde (wörtlich: „Grüner Wein“) liegt im Norden Portugals, nordwestlich von Porto, eingerahmt von beiden großen Strömen Douro und Minho und unmittelbar an der Grenze zu Spanien. Ja, richtig gelesen: denn Vinho Verde bezeichnet weder einen leicht grünlich schimmernden Weißwein, noch ist es eine Rebsorte und er hat auch nichts mit Grünem Veltliner zu tun.Vinho Verde ist ein vielseitiger Essensbegleiter. Besonders gut passt er zu Meeresfrüchten und dem allgegenwärtigen portugiesischen Soulfood Stockfisch.
Vinho Verde ist vielmehr eine immerhin seit 1908 bestätigte und seit 1959 durch ein Garantiesiegel geschützte Ursprungsbezeichnung. Und die weitaus mehr als nur leichten Weißwein umfasst! Und das mit dem „grünen Wein“ hat damit zu tun, dass mit dem besonderen Klima der Region zu tun. Es regnet hier regelmäßig und auch sehr ergiebig – und so zeigt sich die Landschaft hier im Norden Portugals rund ums Jahr in sattem Grün. Bösere Zungen allerdings behaupten, der Begriff „Vinho Verde“ ginge darauf zurück, dass früher die Trauben grün geernet worden seien. Das mit dem Regen jedenfalls erscheint uns, nach einer dort verbrachten, ziemlich feuchten Juniwoche, plausibel …
Vinho Verde deckt eine beeindruckende Produktpalette ab, zu der Still- und Schaumweine, Weißweine, aber auch Rosé und Rotweine, Brandies, Tresterbrände und sogar, man staunt, Essig gehören. Sie alle haben eines gemeinsam: es werden ausschließlich autochthone Rebsorten, also Sorten, die es nur hier gibt, verwendet.
Im Land von Loureiro und Vinhão.
Zugelassen sind stolze 45 Sorten, wobei vor allem diese Sorten zum Einsatz kommen: Loureiro, Arinto, Avesso, Alvarinho, Trajadura, Azal und die eigenwilligen roten Sorten Vinhão und Amaral. Weißer Vinho Verde wird traditionell als Cuvée aus ca. 60% Loureiro, 20% Arinto und 20% Trajadura vinifiziert. Reist man allerdings mit offenen Augen und Ohren durch das Anbaugebiet, wird man Zeuge eines Wandels. Immer mehr Winzer experimentieren mit reinsortigen Weinen und zeigen mit Loureiro und Alvarinho (der derzeit allerdings nur in der Unterregion Monção e Melgaço reinsortig zugelassen ist), dass Vinho Verde weit mehr ist als nur ein heiterer Zechkumpan.„… Stockfisch mit Kartoffeln, Vinho Verde. Der Wein war so wie ein Wein sein muss, unwiderstehlich und schnell geleert.“
José Saramago, Die portugiesische Reise.
Und es tut sich noch mehr: lag bisher der Fokus auf der charakteristischen Stilistik, nach der ein Vinho Verde immer spritzig, fast wie ein „kleiner“ Prosecco und leicht mit zarter Apfelfrucht und blumigen Akzenten ist, entdecken immer mehr Produzenten den Terroir- und Lagengedanken für sich und setzten auf das Zusammenspiel die Granit- und Schieferböden mit den einzigartigen Rebsorten der Region, um den Vinho Verde zu einer festen Größe auf dem internationalen Weinparket zu machen. Und das nicht im fun departement, sondern auf Augenhöhe mit großen Weißweinen. Gute Beispiele, wohin dieser Weg führen könnte, zeigt die Toplinie des Traditionsweingutes Calçada. Und auch in Betrieben wie der Quinta d’Amares wird viel über die Zukunft des Vinho Verde diskutiert. Sie liegt, da sind die Winzer sich einig, im Spannungsfeld von „easy drinking“-Stilistik und anspruchsvollem Terroirwein. Und sie liegt ein Stück weit auch in dem Mut, die frischen Weine einfach mal liegen zu lassen, ihrem Entwicklungspotential zu vertrauen und zu zeigen, dass ein guter, gereifter Vinho Verde großen Spaß macht – auch ohne Kohlensäure-Kick!
Von wegen nur weiß oder gar grün! Die Ursprungsbezeichnung Vinho Verde umfasst auch Rosé- und Rotweine.
Weine der Quinta de Calçada
Auch Avesso zählt zu den autochthonen Rebsorten der Vinho Verde-Region. Hier in der Quinta do Ferro wird sie auch reinsortig ausgebaut.
Gazela – ein unbeschwerter, spritziger Sommer-Vinho Verde aus dem Haus Sograpes
Dieser Artikel entstand in Kooperation mit dem CVRVV Comissão de Viticultura da Região dos Vinhos Verdes